Über den Schmuck

Kollektion „Crash“, jetzt CRUSH

Zunächst fallen die Unregelmäßigkeiten auf: Die kleinen Wülste, die sich nach vorn schieben; Dellen, die irreparabel erscheinen; Knicke in der glatten Fläche; Linien, die nicht senkrecht aufeinander treffen, sondern sich verzerrt aufeinander zubewegen: hier scheint nichts zu stimmen. Doch zugleich werden die Dellen, die Wülste und die Knicke gerahmt von der perfekten Linie des Kreises eines Rings, von der sauberen Kante der Gürtelschnalle und der ebenmäßigen Form des Manschettenknopfes. In der neuen Serie der Schmuckarbeiten von Susanne Sous geht es um gerahmte Unregelmäßigkeiten und folgen wir dem Titel der Serie, „CRASH“, dann geht es um genau diese Spannung: die im kontrollierten Unfall produzierten Schäden und ihre Rahmung.

Text: Anke te Heesen



„in Worte fassen“

Aufmerksam wurde ich vor vielen Jahren auf einen zerknitterten Ring. Seine Beulen ließen einen Unfall mutmaßen. Dieser Ring war ein Stück aus der Serie Crush. Susanne Sous experimentiert im Kopf, im Skizzenbuch und mit dem Material. Ihre Untersuchungen überschreiten die Grenzen des üblichen Materialwissens und es entstehen angenehm tragbare Einzelstücke, unaufdringlich und einzigartig.

Diese zerbeulten Stücke, diese Idee, unsere Spuren, die wir im Leben ansammeln in einem Stück symbolisch zu verewigen – unsere schönen und bedeutsamen Erlebnisse genauso wie unsere schweren und verletzenden Erfahrungen – sie alle machen uns reicher und lassen uns zu Menschen reifen. Schmuck kann vererbt werden und verschenkt. Das wissen wir alle schon immer und auch sehnen wir uns danach, uns selbst so zu beschenken, wie wir beschenkt sein wollen. An so einem sehnsuchtsvollen Tag, öffnet Dir Susanne Sous ihre Werkzeugkiste und überlässt Interpretation, Assoziation und sinnstiftende Gedanken deinen Fingern, die probieren..

In den letzten Jahren sind es die Steine, die sie bezaubern. Sie sammelt sie, sucht sie und sie scheinen auch auf Umwegen zu ihr zu gelangen. Sie vermisst sie mit ihren Fingern, fühlt nach, spürt die Form, misst sie millimetergenau und legt sie aus, um ihre Bezüge zu finden, dem Stein seine rechte Form und Umgebung zu schaffen. Und dann scheinen diese Steine zu lachen und dem altehrwürdigen Hohn zu sprechen, dass sie Kopf stehend in der Fassung gebettet sind. Die Unterseite zu Oberst. Das klingt ein wenig verwegen, einen Kopfstand des Steines? Und doch zeigt er seine glatte blanke Fläche, seine ganze Schönheit so und die Wölbung, das runde berührt sachte und zart die Fingeroberfläche.

In der Juwelerie spielt der Schliff eines Steines eine ganz besondere Rolle, der Glanz, der dadurch entsteht, die vielfältigen Lichtreflexe, die der tragenden Hand Wert suggerieren. Die Schleifungen, diesen Formkanon, hat die formsichere Gestalterin in edlem Metall nachgearbeitet. Was entsteht? Ein Prototyp Ring mit Stein, das Klischee dieser Klunkerstücke – und doch minimiert in einem Material – Silber zum Beispiel.

Sie sind gross. Sie sind ehrwürdig. Und sie integrieren sich in das Erscheinen der Trägerin und des Trägers. Sie erkennen sich an den verschiedenen Tragenden wieder – es ist ein Sous. Wer sie trägt, legt sie gewöhnlich auch nicht ab, nicht zur Gartenarbeit, nicht während des Vortrags und auch nicht beim Kochen oder im Konzert. Sie werden ein Bestandteil des Selbst. Also Zeit lassen beim Aussuchen, ins Gespräch kommen und sich verlieben.

Zarte Seidenkordeln, so zart, wie ich sie nur aus Großmutters Nähkasten kannte, zart in wohlig wärmenden Farben als Schmuck. Zu Ketten gewunden, gewickelt und lose geschwungen. Ein feines Silber ziert sie nur. Silberelemente, wie soll ich es besser beschreiben, denn wie gefädelte Knöpfe oder wie Endstücke bei Schnürsenkeln sind es Abschlüsse, die das sozusagen Gewöhnliche formen. oder Zwischenstücke, die den alltäglichen Blick zum Innehalten locken. Sollte die Kordelfarbe der Farbe des Kleidungsstückes ensprechen, so irritieren die kleinen silbernen Rundungen, schwebend und lassen die schlichte, zarte Kordel verschwinden. Ein Meisterwerk der Reduktion – und doch zart und verspielt. Diese Gegensätze, vexiere, sind die Handschrift von Susanne Sous. Auch wenn alle ihre Serien so grundverschieden sind.

Als Zeichnerin habe ich mir einen zweidimensionalen Blick angeeigent. Profile von Menschen, Umrisse, die so prägnant sind, dass der Betrachtende das Dargestellte wiedererkennt ohne zu zögern. Susanne Sous hat nicht nur in frühen Serien formen abgegossen, Ringformen, und diese in Eis gefroren, als Kekse gebacken und in Zement vervielfältigt, nein, sie hat die Form auch wie zu einer Linie abstrahiert übertragen und diese ‚Ich-bin-ein-Ring‘-Form als Grundform in verschiedene Schmuckstücke gehoben. Sie nennt sie 1-Gramm-Ringe. Frappierend, die Silhouette ist gewogen und hat ein Gewicht. Viele Formen, viele Profile übereinander ergeben auch einen Ring. Und einer alleine ist auch ein Ring. Verkettet, ineinander sind sie – na klar – wie einfach – eine Kette! Das simple, das Naheliegende und doch so verdammt Unerwartete, dass ist das Verblüffende und der Zauber.

Text: Gesine Grotrian